Runder Tisch „Inklusive Bildung“ ­– Baaske stellt Entwurf des Landeskonzepts vor: Erheblicher Ausbau des „Gemeinsamen Lernens“

Inklusion Schule für alle

Bildungsminister Günter Baaske stellte dem Runden Tisch „Inklusive Bildung“ am Nachmittag in Potsdam den Entwurf des Konzepts „Gemeinsames Lernen in der Schule vor“. Ab 2017/18 soll das „Gemeinsame Lernen“ von Kindern mit und ohne besonderen Unterstützungsbedarf in den darauf folgenden sechs Schuljahren deutlich intensiviert werden. In der Projektphase der Schuljahre 2017/18 und 2018/19 sollen dafür an bis zu 162 Schulen vom Land erhebliche Mittel für zusätzliche Lehrkräfte bereitgestellt werden.

Baaske: „Unser Ziel ist es unter anderem, mehr Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten und Durchhalteproblemen einen Schulabschluss und eine Berufsausbildung zu ermöglichen. Aber auch die anderen Kinder und Jugendlichen können durch  ´Gemeinsames Lernen` gewinnen.“

Anlass für das Konzept sind drei wesentliche Punkte:

  • Mehr Jugendliche mit besonderem Unterstützungsbedarf sollen zu einem Schulabschluss geführt werden und damit bessere Chancen zur Berufsausbildung erhalten. Die Quote der Schulabgänger, die keinen bundesweit anerkannten Schulabschluss erreichen, soll dadurch sinken.[1]
  • Immer mehr Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder trotz besonderem Unterstützungsbedarfs an einer allgemeinen Schule lernen können.
  • Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und des Behindertenpolitischen Maßnahmenpakets der Landesregierung.

Zentrales Element sind der Ausbau und die fachliche Weiterentwicklung von Schulen für „Gemeinsames Lernen“. Damit wird der seit Jahren feststellbare Prozess des Besuchs von Schülerinnen und Schülern mit besonderem Unterstützungsbedarf in allgemeinen Schulen gefördert und strukturell abgesichert. Dazu gehören:

  • ein multiprofessionell angelegtes  Personalkonzept der Schulen,
  • zusätzliches pädagogisches und sonstiges pädagogisches Personal an Schulen,
  • eine Neuausrichtung von schulischer Diagnostik und Förderung,
  • gezielte Fortbildung,
  • eine langfristige, auf die wohnungsnahe Versorgung in allen Förderschwerpunkten orientierte Schulentwicklungsplanung.

Bestehende Förderschulangebote werden weitergeführt, soweit dafür unterrichtsorganisatorisch Bedarf besteht. Perspektivisch können Klassen der bestehenden Förderschulen mit regional ausgewählten Standorten allgemeiner Schulen (Schwerpunktschulen) zusammengeführt werden.

Der Konzeptentwurf wird derzeit mit zahlreichen Beteiligten abgestimmt, soll voraussichtlich im November 2016 vom Kabinett beschlossen und anschließend dem Landtag vorgelegt werden. Er beruht auf den Erfahrungen aus dem Pilotprojekt „Inklusive Grundschule“, an dem sich 75 öffentliche Grundschulen und Oberschulen mit Primarbereich von 2012 bis 2015  beteiligt und dafür eine zusätzliche personelle Ausstattung erhalten hatten (109 zusätzliche Vollzeitstellen für Lehrkräfte). Diese Ausstattung gilt weiterhin bis zur Umsetzung des neuen Landeskonzepts. Ab dann werden die Pilotschulen Schulen für „Gemeinsames Lernen“.

Baaske: „Die wissenschaftliche Auswertung des Pilotprojekts hat uns klar gezeigt, dass ´Gemeinsames Lernen` viele Vorteile für alle Beteiligten bringt. An der Lösung von Problemen, die wir im Einzelfall festgestellt haben, arbeiten wir. Das ist Teil des Landeskonzepts.“ Dazu gehört, dass sich manche Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf anderen Kindern nicht gewachsen und dadurch verunsichert fühlten.

Wird das Konzept fortlaufend umgesetzt, können innerhalb von etwa sechs Jahren ab dem Schuljahr 2017/18 alle Brandenburger Grund-, Ober- und Gesamtschulen das „Gemeinsame Lernen“ anbieten und entsprechend ausgestattet werden. Nach zwei Jahren der Umsetzung sollen Zwischenergebnisse ausgewertet und soll die weitere Entwicklung konkretisiert werden. Dann sollen auch die beruflichen Schulen einbezogen werden. Die Gymnasien erhalten wie bisher bei Bedarf im Einzelfall eine Zusatzausstattung für sonderpädagogische Förderung.

In den Schuljahren 2017/18 und 2018/19 können sich jeweils bis zu 55 öffentliche Grund-, 20 Ober- und 6 Gesamtschulen um die Teilnahme bewerben. Die Bewerbungsphase startet im Herbst des aktuellen Schuljahres 2016/17. Schul-zentren (Ober- und Gesamtschule mit Grundschulteil) sollen dabei vorrangig berücksichtigt werden.

Für diese beiden Schuljahre ist eine personelle Sonderausstattung für 162 Schulen mit bis zu 432 Stellen vorgesehen. Dadurch entstehen Personalkosten in 2017 in Höhe von etwa 5,4 Mio. Euro und in 2018 in Höhe von 17,6 Mio. Euro. Der Gesamtbedarf in den Folgejahren hängt davon ab, wie viele Schülerinnen und Schüler mit besonderem Unterstützungsbedarf sich für den Besuch der allgemeinen Schule entscheiden, denn dadurch sinkt der Bedarf in den Förderschulen. Benötigt werden neben zusätzlichen Lehrkräften auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des sonstigen pädagogischen Personals. Durch die Einbeziehung der Ober- und Gesamtschulen wird das Pilotprojekt „Inklusive Grundschule“ konsequent fortgesetzt, da künftig auch ab der Sekundarstufe I „Gemeinsames Lernen“ strukturell unterstützt wird.

Baaske: „Das ist für uns ein zentraler Punkt, da Inklusion in der Schule nicht nach sechs Schuljahren zu Ende sein kann. Ich bin sehr auf die Bewerbungen und die Konzepte der Schulen gespannt. Sie haben durch die zusätzliche Ausstattung Vorteile – aber dafür müssen sie auch etwas bieten. Wichtig ist z. B., wie sich  ´Gemeinsames Lernen` im Schulkonzept darstellt, welche Kooperationen mit Dritten z. B. für den Ganztag vorgesehen sind und wie die Kooperation mit dem Schulträger erfolgen soll, der für die Gebäude und Infrastruktur verantwortlich ist.“

Immer mehr Kinder und Jugendliche mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf nehmen auf eigenen Wunsch oder dem ihrer Eltern am „Gemeinsamen Lernen“ in allgemeinen Schulen teil.

Baaske: „In diesem Bereich haben wir in den vergangenen Jahren sehr viel erreicht. Das ist auch dem starken Engagement unserer Lehrkräfte, aber auch der Schulträger zu verdanken. Unser Angebot richtet sich an diejenigen, die gemeinsam lernen wollen. Niemand wird gezwungen und niemand soll überfordert werden. Inklusion klappt nur mit Augenmaß – und zwar in jede Richtung.“

Deshalb ergänzen weitere Vorhaben das Landeskonzept:

  • Stärkung und Ausbau der Schulzentren auch durch finanzielle Unterstützung des Landes (24 Mio. Euro),
  • Unterstützung der Schulträger für inklusive Schulbauten (56 Mio. Euro),
  • Änderung des Schulgesetzes: neuer Bildungsgang zum Abschluss der Sekundarstufe I, um die Berufsbildungsreife/den Hauptschulabschluss erreichen zu können. Dabei soll die Jahrgangsstufe 9 wiederholt werden können, ohne dies als „Durchfallen“ zu werten.
  • Neuer Rahmenlehrplan für die Jahrgangsstufen 1 bis 10 mit einer pädagogisch-fachlichen Orientierung auf Kompetenzstufen, die auch im Unterricht mit Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf „Lernen“ angewandt werden können.
  • Das Programm „Projekte Schule/Jugendhilfe 2020“ dient der Vermeidung von Schulverweigerung auch aufgrund von Lernschwierigkeiten ab der Jahrgangsstufe 7. Es wird in gemeinsamer Verantwortung von Schule und Jugendhilfe umgesetzt und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Landes finanziert. Bis zum Ende des Schuljahres 2020/21 stehen dafür  insgesamt 19 Mio. Euro  aus dem ESF zur Verfügung.

Baaske: „Wir wollen, dass alles ineinander greift. Sonst klappt das nicht.“

Der Runde Tisch „Inklusive Bildung“ berät das brandenburgische Bildungsministerium bei der Weichenstellung für die „Schule für alle“. An ihm beteiligen sich mehr als 40 Verbände und Initiativen, darunter die Landesräte der Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrer, verschiedene Betroffenen-, Lehrer- und Sportverbände, kommunale Spitzenverbände, die Arbeitsgemeinschaft freier Schulen, Kirchen, Gewerkschaften und Kammern sowie die bildungspolitischen Sprecher aller brandenburgischen Landtagsfraktionen.

Mehr Informationen und das Konzept „Gemeinsames Lernen in der Schule“ unter: Inklusion Brandenburg


[1] Insgesamt verließen am Ende des Schuljahres 2014/2015 nach Vollendung der Vollzeitschulpflicht 19.650 Schülerinnen und Schüler eine allgemeinbildende Schule (einschließlich ZBW und berufliches Gymnasium). Auf diese Zahl bezogen beträgt der Anteil der Schülerinnen und Schüler ohne Hauptschulabschluss/ohne Berufsbildungsreife 7,9 %. Werden diejenigen mit einem speziellen Förderschulabschluss nicht berücksichtigt,  verließen  699 Schülerinnen und Schüler die Schule ohne Abschluss (das entspricht 3,6 %). 


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