Sonderpädagogische Förderung
Jedes Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf hat ein Recht auf eine seiner individuellen Beeinträchtigung entsprechenden Förderung. Das Bildungsministerium hat ein Konzept zum Gemeinsamen Lernen in der Schule im Land Brandenburg erarbeitet. Danach sollen die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf vorrangig im gemeinsamen Unterricht gefördert werden. Alle allgemeinbildenden Schulen sollen durch pädagogisches Handeln Schülerinnen und Schüler in ihrer Persönlichkeitsentwicklung fördern, fördern ist ein Grundprinzip des pädagogischen Handelns. Sonderpädagogische Förderung erweitert die allgemeine Förderung und verwirklicht das Recht von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf schulische Bildung unter Berücksichtigung ihrer individuellen Leistungsmöglichkeiten, Bedürfnisse und Begabungen. Sonderpädagogische Förderung kann sowohl in der allgemeinbildenden Schule im gemeinsamen Unterricht als auch in der Förderschule erfolgen.
Alle Kinder lernen gemeinsam in einer Schule. Alle Kinder haben die gleiche Chance auf Bildung. Individuelle Fähigkeiten können sich voll entfalten. Diskriminierung und Beeinträchtigung von Fähigkeiten und Begabungen sind ausgeschlossen. Der Besuch des gemeinsamen Unterrichts ist möglich, wenn die personellen, räumlichen und sächlichen Voraussetzungen an dieser Schule geschaffen werden können. An vielen Schulen gehören bereits Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen zum festen Schulpersonal. Sie unterstützen die Lehrkräfte bei der Planung und Umsetzung von Fördermaßnahmen. Der gemeinsame Unterricht in allen Förderschwerpunkten (außer „Lernen“ und „geistige Entwicklung“) wird als zielgleicher Unterricht durchgeführt. Die Schülerinnen und Schüler besuchen die allgemeinen Bildungsgänge mit dem Ziel, in den weiterführenden allgemein bildenden und beruflichen Schulen entsprechende Abschlüsse zu erreichen. Der Unterricht ist dabei auf den individuellen Förderbedarf des Schülers oder der Schülerin abgestimmt.
Der gemeinsame Unterricht im Land Brandenburg wird seit nunmehr 25 Jahren erfolgreich praktiziert – dadurch gibt es bereits wertvolle Erfahrungen damit. Im Land Brandenburg besuchten im Schuljahr 2015/2016 bereits 47 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf den gemeinsamen Unterricht, bundesweit waren es im Schuljahr 2014/2015 etwa 34 Prozent der Schülerinnen und Schüler.
Die Entscheidung des Staatlichen Schulamtes über die Aufnahme eines behinderten Kindes oder Jugendlichen in eine Klasse mit gemeinsamem Unterricht an einer allgemeinen Schule erfolgt auf der Grundlage der Empfehlung des Förderausschusses unter Berücksichtigung des Elternwunsches. Gemeinsamer Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf erfordert Maßnahmen innerer und äußerer Differenzierung, um flexibel auf unterschiedliche Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen eingehen zu können. Je nach Art und Umfang des vorliegenden sonderpädagogischen Förderbedarfs erfolgt eine zielgleiche oder zieldifferente Förderung.
Bei der Umsetzung des gemeinsamen Unterrichts mit gleicher Zielsetzung wird der Unterricht so gestaltet, dass es den Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf möglich ist, die gleichen Ziele im Unterricht sowie einen Abschluss der besuchten Schule zu erreichen. Der gemeinsame Unterricht mit zieldifferenter Förderung erfährt eine Berücksichtigung für Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen in der kognitiven Entwicklung. Hier stehen insbesondere gemeinsame Lernerfahrungen am selben Unterrichtsgegenstand, jedoch mit individuellen Lernzielen und Lernergebnissen im Vordergrund.
Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allen Bereichen, werden nach den jeweils geltenden Rahmenlehrplänen der allgemeinbildenden Schulen des Landes Brandenburg unterrichtet und bewertet. Die Unterrichtsgestaltung berücksichtigt den individuellen Förderbedarf und ggf. zu gewährende Nachteilsausgleiche der Schülerinnen und Schüler. Die personellen, räumlichen und sächlichen Bedarfe richten sich nach Art und Umfang der Behinderung und den daraus abzuleitenden sonderpädagogischen Förderbedarf des Kindes oder des Jugendlichen. Die enge Zusammenarbeit aller in der Klasse tätigen Pädagoginnen und Pädagogen ermöglicht einen erfolgreichen gemeinsamen Unterricht.
Der gemeinsame Unterricht von Schülerinnen oder Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf in den allgemeinen Schulen des Landes Brandenburg genießt hohe Priorität in der Landespolitik. Bereits mit dem Ersten Schulreformgesetz 1991 wurde dieser Grundsatz festgeschrieben und im Brandenburgischen Schulgesetzes (§ 29) bestätigt. Auch das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, das von Deutschland 2009 ratifiziert wurde, sieht in Artikel 24 das gemeinsame Lernen als Regelfall vor.
Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention erfolgt im Land Brandenburg gegenwärtig auf der Grundlage der geltenden Rechtslage, insbesondere der Bestimmungen des Brandenburgischen Schulgesetzes § 3 Absatz 4 i.V.m. § 29 Absatz 2. Danach sollen die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf vorrangig im gemeinsamen Unterricht gefördert werden. Der gemeinsame Unterricht ist in der Verordnung über Unterricht und Erziehung für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (Sonderpädagogik-Verordnung (SopV) geregelt. Im Förderschwerpunkt „Geistige Entwicklung“ soll der Abschluss der Förderschule „Geistige Entwicklung“ auch im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts erreicht werden. Für alle anderen Förderschwerpunkte gelten die Rahmenlehrpläne und Regelungen der allgemeinen Schulen, die besucht werden.
Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf sollen im Land Brandenburg – wo immer möglich – gemeinsam mit anderen Kindern in der Nähe ihres Wohnortes zur Schule gehen. Schülerinnen und Schüler, die im gemeinsamen Unterricht nicht hinreichend gefördert werden können oder deren Eltern den Besuch einer Förderschule oder Förderklasse wünschen, werden auf Antrag der Eltern in eine ihrem sonderpädagogischen Förderbedarf entsprechende Förderschule aufgenommen. Über den Lernort entscheidet das staatliche Schulamt auf der Grundlage der Bildungsempfehlung des Förderausschusses unter Berücksichtigung des Elternwunsches.
Förderschulen sind in ihrer pädagogischen Arbeit auf den individuellen Förderbedarf der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet. Entsprechend der durch die Kultusministerkonferenz (KMK) festgelegten Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung erfolgt eine Gliederung nach sonderpädagogischen Förderschwerpunkten:
- "Lernen"
- "Sprache"
- "emotionale und soziale Entwicklung"
- "geistige Entwicklung"
- "Hören"
- "körperliche und motorische Entwicklung"
- "Sehen"
- Schulen für Kranke
Schulen mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt "geistige Entwicklung" sind Ganztagsschulen und in Lernstufen gegliedert. Schulen mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt "Lernen" können die Jahrgangsstufen 1 bis 10 umfassen und sind an den besonderen Bedürfnissen von Schülerinnen und Schülern mit erheblichen Beeinträchtigungen im schulischen Lernen ausgerichtet. Beide Schulformen führen jeweils einen eigenen Bildungsgang, der zum Abschluss der jeweiligen Schulform führt. Schulen mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt "Sprache" und "emotionale und soziale Entwicklung" umfassen die Jahrgangsstufen 1 bis 6 und führen den Bildungsgang der Grundschule. Sie sollen die Schülerinnen und Schüler zu einem möglichst frühzeitigen Übergang in die allgemeine Schule befähigen. Kinder mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt "Sprache" werden auch in Förderklassen der Jahrgangsstufen 1 und 2, die an Grundschulen angegliedert sind, unterrichtet. Schulen mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt "Hören" (Wilhelm-von-Türk-Schule in Potsdam) und "Sehen" (Brandenburgische Schule für Blinde und Sehbehinderte in Königs Wusterhausen) umfassen die Jahrgangsstufe 1 bis10 und führen die Bildungsgänge der Grundschule sowie der Oberschule. Schülerinnen und Schüler mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt "körperliche und motorische Entwicklung", die nicht im gemeinsamen Unterricht gefördert werden können oder deren Eltern den Besuch der Förderschule wünschen, können die Oberlin-Schule in Potsdam besuchen. Eine Schule für Kranke ist die Schule für Kranke in der Asklepius Fachklinik in Brandenburg an der Havel. Besteht in einer Klinik kein dauerhaftes Schulangebot, erhalten Schülerinnen und Schüler während des Klinikaufenthaltes Hausunterri
- Hören: Wilhelm-von-Türk-Schule in Potsdam
- Sehen: Marie-und-Hermann-Schmidt-Schule in Königs Wusterhausen
- körperliche und motorische Entwicklung: Bauhausschule in Cottbus
- Schule in freier Trägerschaft für die Förderbedarfe körperliche und motorische Entwicklung, Hören und Sehen sowie Autismus: Oberlinschule in Potsdam
Wird sonderpädagogischer Förderbedarf bei einem Kind oder Jugendlichen vermutet, kann von den Eltern, der Schülerin bzw. dem Schüler nach Vollendung des 14. Lebensjahres oder der Schulleiterin bzw. dem Schulleiter ein Feststellungsverfahren beantragt werden. Ein Bedarf an sonderpädagogischer Förderung oder Unterstützung ist festzustellen, wenn erwartet wird, dass ein Kind oder Jugendlicher auf Grund einer bestehenden oder drohenden Behinderung die Bildungsziele der Schulform oder die individuellen Bildungsziele nicht oder nur mit sonderpädagogischer Unterstützung erreicht.
Das staatliche Schulamt leitet das Feststellungsverfahren zur Feststellung, Änderung oder Beendigung des sonderpädagogischen Förderbedarfs auf Antrag ein. Das staatliche Schulamt beauftragt die zuständige Sonderpädagogische Förder- und Beratungsstelle – ein Diagnostik-Team – mit der Durchführung des Feststellungsverfahrens. Das Diagnostik-Team führt auf der Grundlage standardisierten Vorgaben die Elternberatung und die Diagnostik des derzeitigen Lern- und Entwicklungsstandes des Kindes durch. Die gewonnenen Ergebnisse werden in einer sonderpädagogischen Stellungnahme zusammengefasst. In einem Förderausschuss wird unter Einbeziehung der Eltern bzw. Sorgeberechtigten, der vorschulischen Einrichtung, der Schule und ggf. anderer Institutionen eine Bildungsempfehlung erarbeitet. Auf der Grundlage der Bildungsempfehlung trifft das staatliche Schulamt unter Berücksichtigung des Elternwunsches die Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderbedarf, den Lernort, die Jahrgangsstufe, den anzuwendenden Rahmenlehrplan, die Förderinhalte und – soweit erforderlich – den Nachteilsausgleich. Es ergeht ein Bescheid.
Sonderpädagogische Förder- und Beratungsstellen nehmen Aufgaben im gemeinsamen Unterricht wahr und erbringen vorrangig für den schulischen Bereich ein wohnortnahes sonderpädagogisches Förder- und Beratungsangebot. Sie leiten und koordinieren im Auftrag des staatlichen Schulamtes das Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs (Feststellungsverfahren) Sonderpädagogischen Förder- und Beratungsstellen gibt es in jedem Landkreis bzw. in jeder kreisfreien Stadt. Lehrkräfte der Sonderpädagogischen Förder- und Beratungsstellen leisten Unterstützung durch:
- Begleitung der Eltern und Kinder beim Übergang von der Kindertagesstätte in die Schule,
- Beratung in sonderpädagogischen Fragen für den schulischen Bereich,
- Durchführung des Feststellungsverfahrens für den sonderpädagogischen Förderbedarf,
- Vermittlung außerunterrichtlicher Hilfen anderer Träger,
- Beratung der Fachkräfte von Kindertagesstätten und Schulen sowie
- Zusammenarbeit mit regionalen Frühförder- und Beratungsstellen sowie mit der schulpsychologischen Beratung.