Ministerin Müller und Minister Freiberg machen Weg frei für erste Kinderschutzambulanzen in Brandenburg

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Landesregierung stärkt den Kinderschutz: Die ersten vier Kinderschutzambulanzen sollen im Jahr 2026 starten – Anschubfinanzierung aus Lottomitteln macht es möglich – Ab 2027 soll die Finanzierung über den Landeshaushalt erfolgen

Kinderschutzambulanzen (KIA) sind spezialisierte medizinische Anlaufstellen zur Abklärung von Kindeswohlgefährdung, in denen Fachkräfte des medizinischen Kinderschutzes und der Kinder- und Jugendhilfe koordiniert zusammenarbeiten. Ihre Hauptaufgabe ist eine medizinische Einschätzung bei Verdachtsfällen von Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung und die unmittelbare Einleitung von Hilfen. Brandenburg ist bislang das einzige Bundesland ohne eine Kinderschutzambulanz. Gesundheitsministerin Britta Müller und Jugendminister Steffen Freiberg wollen diesen Zustand schnell ändern. Mit einer Anschubfinanzierung sollen im Jahr 2026 die ersten vier Kinderschutzambulanzen an Krankenhausstandorten in Eberswalde, Lauchhammer, Neuruppin und Potsdam starten. Ein fünfter Standort in Cottbus ist in Aussicht. Ministerin Müller stellt dafür 125.000 Euro aus Lottomitteln zur Verfügung, 25.000 Euro pro KIA. Minister Freiberg sorgt zudem für die Finanzierung einer Landeskoordinierung in Höhe von 45.000 Euro. Ab 2027 soll die Finanzierung über den Landeshaushalt erfolgen.

Gesundheitsministerin Britta Müller erklärte heute: „Brandenburg braucht dringend spezialisierte ambulante Anlaufstellen für Kinder, die Gewalt, Misshandlung oder Vernachlässigung erfahren haben. Wenn etwa Sportvereine, Kita-Erzieherinnen oder Lehrkräfte Anzeichen von Misshandlung oder Vernachlässigung bei Minderjährigen erkennen, aber unsicher sind, können Kinderschutzambulanzen unterstützen. Sie sind interdisziplinäre Anlaufstellen, die nicht nur eine medizinische Untersuchung durchführen, sondern auch eine enge, qualifizierte Zusammenarbeit zwischen Medizin, Jugendhilfe und anderen relevanten Institutionen gewährleisten. So kann im Verdachtsfall schnell und ohne stationäre Aufnahme festgestellt werden, ob ein Kind körperlich, sexuell oder emotional misshandelt wurde. Wenn es sich bestätigen sollte, kann sofort die medizinische und therapeutische Versorgung beginnen und das Jugendamt tätig werden. Solche Angebote fehlen bislang in Brandenburg. Zu lange wurde darüber diskutiert, jetzt müssen wir endlich handeln. Deshalb habe ich das Vorhaben seit dem Sommer aktiv vorangetrieben. Wichtige Strukturen wie diese dürfen nicht an fehlenden Mitteln scheitern. Mit einer Anschubfinanzierung aus Lottomitteln ermögliche ich den Start des Projekts im Jahr 2026. Langfristig muss diese wichtige Struktur, die die medizinische Versorgung nach dem SGB V mit Leistungen der Jugendhilfe im Kinderschutz verbindet, über den Landeshaushalt unterstützt werden.“

Jugendminister Steffen Freiberg sagte: „Im Zentrum steht das Kindeswohl! Ich freue mich, dass das Jugend- und das Gesundheitsministerium sich gemeinsam für den Schutz und das Wohl von Kindern und Jugendlichen in Brandenburg einsetzen. Wir gehen einen weiteren wichtigen Schritt nach dem Gesetz zur Förderung und zum Schutz junger Menschen im vorigen Jahr. Dieses erste umfassende Kinder- und Jugendgesetz in Brandenburg stellt den Schutz, die Rechte und die Beteiligung junger Menschen in den Mittelpunkt.“

Für die Etablierung von Kinderschutzambulanzen ist es notwendig landesweit verbindliche Qualitätsstandards und klare Zuständigkeiten zu etablieren, um auf einen gleichmäßigen Ausbau von Kinderschutzambulanzen im Land Brandenburg hinzuwirken. Das MBJS wird diese Koordinierungsstelle fördern. Mit dem strukturierten Ausbau stärkt das Land Brandenburg den Kinderschutz nachhaltig und verbessert die Versorgung in allen Regionen.

Gesundheitsministerin Britta Müller und Jugendminister Steffen Freiberg werden in der kommenden Woche die Kinderschutzambulanz an der Charité in Berlin besuchen. Seit 2016 gibt es am Charité-Campus Virchow-Klinikum eine KIA. Sie wird gemeinsam finanziert von der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sowie der Berliner Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz.

Hintergrund

Die Schaffung von Kinderschutzambulanzen (KIA) ist im Land Brandenburg seit längerem ein wichtiges Thema. Gespräche zu einer möglichen Etablierung von KIA im Land Brandenburg finden zwischen dem Gesundheits- und dem Jugendministerium seit dem Jahr 2022 statt.

Die Schaffung von Kinderschutzambulanzen (KIA) ist im Land Brandenburg seit längerem ein wichtiges Anliegen. Seit 2022 führen das Gesundheits- und das Jugendministerium Gespräche über eine mögliche Etablierung von KIA im Land. Der Landtag hatte dann mit Beschluss vom 11. Mai 2023 die damalige Landesregierung aufgefordert, im Rahmen der verfügbaren Personal- und Haushaltsmittel zu prüfen, „wie interdisziplinäre Kinderschutz-Beratungen an Kliniken koordinierend unterstützt werden können“, und „wie eine Finanzierung im bundesrechtlichen Regelsystem für interdisziplinär arbeitende Kinderschutzambulanzen unter Einbeziehung landes- und bundespolitischer Initiativen auf den Weg gebracht werden kann, in denen Jugendhilfemaßnahmen ambulant und stationär erbracht werden können“ (LT-Drucksache 7/7652-B).

Brandenburgs erstes Kinder- und Jugendgesetz (BbgKJG) trat am 1. August 2024 in Kraft. Mit diesem Landesgesetz sind Schnittstellen zum Gesundheitsbereich eröffnet worden. Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe können demnach auch in medizinischen Einrichtungen von Trägern der Jugendhilfe erbracht werden.

Mit der zum 1. Januar 2025 in Kraft getretenen Krankenhausreform (Krankenhausversorgungsbesserungsgesetz, KHVVG) hat der Bundesgesetzgeber Krankenhäusern eine Zulassung als pädiatrische Institutsambulanz ermöglicht (nach § 118b SGB V). Kinder und Jugendliche mit schweren Erkrankungen sollen nicht wie bisher nur bei niedergelassenen Kinder- und Jugendärzten, sondern künftig auch in Krankenhäusern mit entsprechender Expertise ambulant versorgt werden können.

Pädiatrische Institutsambulanzen können eine Basis für die Einrichtung von Kinderschutzambulanzen sein. Die Einzelheiten legt die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen fest. In Brandenburg haben aktuell vier Klinikverbünde Anträge auf Zulassung zur ambulanten kinderärztlichen Versorgung nach dieser neuen Regelung beim Zulassungsausschuss eingereicht, mit den Standorten in Eberswalde, Lauchhammer, Neuruppin und Potsdam. Auch Cottbus plant die Beantragung dieser Zulassung. Aktuell stehen die bundesrechtlichen Rahmenvorgaben für die konkrete leistungsrechtliche Umsetzung jedoch noch nicht fest, sodass der Zulassungsausschuss bislang noch nicht darüber entschieden hat.

Leistungen der Jugendhilfe dürfen gemäß SGB VIII in Verbindung mit dem BbgKJG bereits jetzt in medizinischen Einrichtungen von den kommunalen Jugendämtern ambulant, teilstationär und stationär erbracht werden. Sie unterliegen der kommunalen Selbstverwaltung. Um hier ein funktionierendes Zusammenwirken der verschieden finanzierten Systeme zu ermöglichen, ist eine koordinierende Steuerung an dieser Schnittstelle erforderlich.

Mit ambulanter Leistungserbringung im Krankenhaus wäre eine gemeinsame Leistungserbringung von medizinischen und Jugendhilfeleistungen (SGB V- und SGB VIII-Leistungen) möglich, auch ohne dass das Kind über Nacht im Krankenhaus bleibt. Eine Finanzierungslücke ergibt sich jedoch für den erforderlichen Koordinierungsaufwand. Finanzielle Mittel stehen im Landeshaushalt aktuell nicht zur Verfügung.

Für die Koordinierung zwischen den Schnittstellen der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) und der medizinischen Versorgung (SGB V) sind rund 25.000 Euro pro Jahr und KIA-Standort erforderlich. Bei fünf Standorten wären das für ein Jahr zusammen 125.000 Euro. Dieses Geld stellt Gesundheitsministerin Britta Müller aus Lottomitteln als einmalige Projektfinanzierung zur Verfügung.

Laut einer Kalkulation der Fachstelle Kinderschutz würden sich für das Land Brandenburg im Jahr 2026 Gesamtkosten von rund 1,037 Millionen Euro für fünf Kinderschutzambulanzen (KIA) ergeben – das entspricht etwa 198.500 Euro pro KIA-Standort. Die Finanzierung für jeden KIA-Standort im Jahr 2026 setzt sich aus rund 70.500 Euro aus SGB V-Mitteln, etwa 103.000 Euro aus SGB VIII-Mitteln und 25.000 Euro aus Lottomitteln des Gesundheitsministeriums zusammen. Zusätzlich werden für die landesweite Koordinierung rund 45.000 Euro vom Jugendministerium bereitgestellt.


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